Michael Lütolf: „Die Schule müsste einen grösseren Schritt Richtung Interdisziplinarität machen“

Big News! Endlich haben wir erfahren, wer ab August 2021 unser neuer Rektor sein wird: Michael Lütolf, der bisherige Prorektor der mathematisch- naturwissenschaftlichen Abteilung. Als Nachfolger von Herrn König, der nach 14-jähriger Amtszeit nun seinen Posten abgibt und in den Ruhestand tritt, wird er sein Amt übernehmen. Um unseren zukünftigen Schulleiter etwas besser kennenzulernen, haben wir ihm einige Fragen gestellt.

Interview von Jelena Zuberbühler, Vera Oberholzer und Mia Widrig

Herr Lütolf, auf was freuen Sie sich im Hinblick auf Ihre bevorstehende Zeit als Rektor der Kantonsschule am Burggraben am meisten?

Am meisten freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit Lehrerkolleg*innen, Schüler*innen und all jenen, die unsere Schule mitprägen und mitentwickeln.

Gibt es auch Dinge, die Sie etwas einschüchtern in Bezug auf die neuen Aufgaben, die Ihnen bevorstehen?

Es ist bestimmt eine Aufgabe, bei der stetig viel Neues dazukommt, wovor ich Respekt habe. Ich werde mich in Themen einarbeiten müssen, mit denen ich mich bisher kaum auseinandergesetzt habe. Bisher hatte ich grösstenteils Gespräche mit Schüler*innen über allfällige Probleme und Fragen im Schulalltag und nur wenig direkten Kontakt mit Lehrer*innen. Aufgrund dessen wird es für mich eine Herausforderung darstellen, vermehrt auf Fragen von Lehrern einzugehen. Ich bin aber zuversichtlich und habe das Gefühl, wir sind ein gutes Team, welches miteinander vorankommen kann.

Seit wann arbeiten Sie an der Kanti?

Als Biologielehrer habe ich im Jahr 2006 mit zwei Klassen und einem kleinen Pensum meine Zeit an der Kanti begonnen. Im Jahr darauf wurde ich dann offiziell zum Kantilehrer gewählt und später zum Hauptlehrer. Im Jahr 2010 fing ich an, bilingualen Unterricht zu geben und im Prorektorat arbeite ich nun seit Februar 2012.

Welche Aufgabe möchten Sie als erstes in Angriff nehmen? Welche Veränderungen würden Sie an unserer Schule gerne vornehmen?

Das ist noch schwierig zu sagen, denn wie gesagt wird Neues wie das Projekt „Gymnasium der Zukunft“ auf die Schule zukommen. Zuerst werde ich eine Übersicht erlangen müssen, was wann und in welcher Form nötig sein wird. Zum Thema ‘Ändern’: Ich finde, wir haben eine gute Schule. Aus Schülersicht bieten wir meiner Meinung nach eine spannende und grosse Auswahl von Schwerpunkt- und Freifächern, bilingualem Unterricht und Austauschprogrammen an. Mein Anliegen ist es, dass wir auch unter allenfalls möglichen Sparmassnahmen aufgrund der Auswirkungen der Coronakrise auf die Kantonsfinanzen keine allzu grossen Abstriche machen müssen und weiterhin ein attraktives Angebot beibehalten dürfen. Grundsätzlich denke ich sind wir in einer Situation, in der wir sagen können: Never change a winning team! Ich bin gespannt, was kommt, denn es steht mir ein ambitioniertes Programm bevor.

Bei der Diskussion über die Schulentwicklung unserer Schule vor einigen Wochen kamen viele Anliegen von Seiten der Schüler*innen zur Sprache bezüglich Arbeitsaufwand. Oftmals werden die Klassen regelrecht mit Schulstoff beladen. Würden Sie persönlich gerne etwas daran ändern?

Man sollte sich sicher fragen, wie viel man den Schüler*innen zumuten darf. Für mich ist es wichtig, ihnen nicht nur fachspezifisches Wissen zu vermitteln, sondern das Vernetzen des Erlernten auch zu fördern. Dadurch können sie einen Zusammenhang zwischen Gelerntem und aktuellen Ereignissen erkennen. Meiner Meinung nach müsste die Schule längerfristig einen grösseren Schritt in Richtung Interdisziplinarität machen. Mit dem Ergänzungsfach ‘Nachhaltigkeit’ versuchen wir momentan beispielsweise schon, ein Thema von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Es können in diesem Bereich aber sicher noch mehr Ansätze gemacht werden. Vermehrte Zusammenarbeit unter Lehrer*innen wäre sicher ebenfalls gewinnbringend. Zudem ist die Bereitschaft der Lehrpersonen sicher auch da, den Unterricht zum Üben des Gelernten zu nutzen, womit nicht alles in die Freizeit verlagert wird. Ein gewisser Teil an Aufgaben wird aber sicher bleiben, um das Ganze zu festigen.

Auf was können wir Schüler*innen uns besonders freuen?

(lachend) Sicherlich auf eine gute Zusammenarbeit, ein offenes Ohr und einen ‘Goodwill’, der euch auf eurem Weg zur Matura unterstützen wird. Ich denke, somit werdet ihr eine gute Zeit am Gymnasium haben.

Verspüren Sie teilweise einen Druck, gerade in Zeiten der Corona-Pandemie mit Ihrer neuen Aufgabe zu starten?

Im Moment ist es natürlich eine schwierige Situation für die ganze Gesellschaft. Es ist für alle etwas Neues und wir müssen lernen, damit umzugehen. Ich nehme an, die Situation wird sich bis im August etwas abschwächen. Klar ist, dass man schrittweise vorgehen muss. Wir haben zwar Konzepte und Vorstellungen, aber noch wenig Erfahrung über den Verlauf einer Pandemie. Man kann nur zur spanischen Grippe zurückschauen, bei welcher es mehr als zwei Jahre dauerte bis man eine Immunität in der Bevölkerung aufgebaut hatte. Wahrscheinlich müssen wir mit einem ähnlichen Szenario rechnen.

Hätten Sie sich vorstellen können, dass Sie einmal Rektor sein werden, als Sie mit der Arbeit an der Kanti begonnen haben?

Damit hatte ich anfangs nicht gerechnet, als ich mit vielen neuen Aufgaben konfrontiert wurde. Besonders am Anfang war es für mich eine Herausforderung, Verantwortung für eine Klasse zu haben und diese bis zur Matura zu begleiten. Ich denke, das Engagement in den ersten vier Jahren ist bei vielen Lehrern sehr hoch. Zu diesem Zeitpunkt denkt man noch nicht an das, was später sein könnte. Dass ich jetzt Rektor bin, hat viel mit persönlicher Reife zu tun. Für mich ist es wichtig zu wissen, dass ich ein Kollegium als Rückhalt habe, welches Vertrauen in mich hat und zuversichtlich mit mir in die Zukunft schaut. Dies war ausschlaggebend für meinen Entscheid, mich dieser Aufgabe hinzugeben.

Jetzt haben wir viel über Ihr Berufsleben erfahren und möchten gerne noch mehr über Sie als Person wissen. Was machen Sie in Ihrer Freizeit als Ausgleich zum Alltag an der Schule?

Als Biologe bin ich interessiert an der Natur und betreibe gerne Aktivitäten wie Wandern, Spazieren und Velo fahren. Des Weiteren gehe ich seit 20 Jahren regelmässig nach Bülach zum japanischen Bogenschiessen, das sich Kyūdō nennt. Bülach ist in der Nähe der einzige Ort, an dem man diesen Sport ausüben kann. Für mich ist es eine schöne Art herunterzufahren und den Alltag ein wenig zu vergessen.

Was war Ihr bestes Erlebnis hier an der Kantonsschule am Burggraben?

Das beste Erlebnis, das ich hier an der Kanti hatte, war das Frühlingsfest. Am Frühlingsfest hatten Kollege Strasser und ich einen Auftritt mit der Lehrerband. Wir haben uns geschminkt und singend auf der Bühne performt, was super cool war. Davon redet man noch heute. Wer weiss, vielleicht gibt es auch einmal ein Revival.

Sind Sie auch hier an der Kanti zur Schule gegangen?

Nein, ich bin im Bernbiet aufgewachsen, in Steffisburg und Thun. Dort bin ich dann auch in die Schule und habe eine Lehre als Hochbauzeichner absolviert. Im Anschluss an die Berufsmittelschule bin ich ans Gymnasium gegangen. Damals gab es nämlich noch keine Passerelle wie heute. Danach habe ich von 1995 bis 2000 in Bern Biologie studiert. In Zürich habe ich die Doktorarbeit und das Lehramt gemacht und bin nachher nach St.Gallen gekommen. Aber was es da noch zu sagen gibt: Meine Grosseltern sind aus Rotmonten. So kam es, dass der Peter und Paul schon als Kind an Sonntagen für uns zum Ausflugsziel wurde. Mein Vater ist früh schon nach Bern, hat dort gearbeitet und eine Familie gegründet. Darum sind wir von Bern.

Ist es für Sie speziell jetzt hier in der Ostschweiz so ein wichtiges Amt zu übernehmen?

Für mich ist das nicht unbedingt etwas Spezielles. Ich denke, jede Region hat ihren Charme. Es ist natürlich klar, dass man sich mit der Region identifiziert; die einen mehr als die anderen. Mir gefällt es hier und ich fühle mich hier nicht fremd. Ich glaube, ich bin ein ziemlich offener Geist und habe keine Vorurteile wie “hinger Winterthur hört d Schwiiz uf, und när isch no so chli unbekannts Land”. Ich kenne viele Teile der Schweiz, da ich viel unterwegs bin. Die Ostschweiz ist einfach ein Teil, in dem ich seit längerem bin und der mir sehr gut gefällt.

Gibt es noch etwas, was Sie uns Schüler*innen mitgeben wollen?

Seid neugierig und interessiert euch für alles, was ihr hier lernen könnt. Es ist eure grosse Chance, hier etwas für euer Leben mitzunehmen. So wie ich es erlebt habe, weiss man zu dieser Zeit des Lebens am meisten. Man hat Zugang zu Wissen in verschiedensten Gebieten; von bildender Kunst, über Fremdsprachen, Mathematik, Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften. Wenn man später an die Uni geht, beginnt man sich zu spezialisieren und gewisse Dinge bleiben einem nicht im Kopf. Meiner Meinung nach ist es eine einmalige Gelegenheit, so einen grossen Fundus von Sachen und Zusammenhängen zusehen. Nutzt diese Zeit – diese vier tollen Jahre sind auch vier kurze Jahre!

 

Bild: https://www.sg.ch/news/sgch_allgemein/2020/10/michael-luetolf-neuer-ksbg-rektor.html