Zwischen Hemd und Anzug: Als Schüler am St. Galler Bildungstag

500 Lehrerinnen und Lehrer haben sich am Wochenende auf dem Olma-Gelände getroffen, um die Bildung umzukrempeln. Unter ihnen hat KSBG-Schüler Finn Bogdan nervös auf seinen grossen Auftritt gewartet. Ein Erfahrungsbericht

Für mich begann der Samstag um 6.30 Uhr mit der altbekannten Fragestellung: Was ziehe ich eigentlich an? Und sowieso: Kennen Lehrer*innen eigentlich kein Wochenende? Oder wer war dafür verantwortlich, dass sich die Türen zum Bildungstag der Sek II bereits um 7.30 Uhr öffnen?

 

Viel Zeit für eine triviale Entscheidung

Zurück zu meinem Dilemma. Ich wusste, dass ich auf der grossen Bühne mit Regierungsrat Stefan Kölliker, dem Vorsteher des Bildungsdepartements, ein Gespräch führen würde. Politiker treten meist im Anzug auf, Lehrer hingegen meist mit T-Shirt und Jeans oder, wenn sie in der Stimmung sind, mit einem gemusterten Hemd, das dann wiederum von den Schüler*innen aufmerksam gemustert wird. Ich entschied mich also für ein Mittelmass zwischen eigenartigem Hemd und Anzug. Dies mag wohl wie eine triviale Entscheidung wirken, doch ich brauchte so lange, dass ich den Zug verpasste. Zum Glück fingen die Themenblöcke nicht vor 8.30 Uhr an. Die grösste Entscheidung des Tages lag hinter mir, nun konnte es losgehen.

 

Lunchpaket – alles einzeln in Plastik verpackt

Auf dem Olmagelände wurde ich als Erstes mit einem Lunchpaket empfangen. Alles einzeln in Plastik verpackt; Netto-Null wird bis 2050 bestimmt ungehindert erreicht. Mit meinem Lunchpaket in der Hand bin ich auf ein paar meiner Lehrer getroffen, die alle wissen wollten, weshalb ich hier sei. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, als einziger Schüler unter Lehrern zu sein, gewissermassen habe ich mich fehl am Platz gefühlt. Trotz allem empfand ich meine Rolle als unantastbar wichtig, schliesslich betrafen fast ausschliesslich alle Themen, welche an diesem Tag besprochen werden sollten, uns Schüler. Die Zukunft der Mittelschule, die Zeit während dem Fernunterricht und auch die nötigen Massnahmen, welche ergriffen werden müssen, dass auch in Zukunft weiterhin effektiv gelehrt und gelernt werden kann, standen auf dem Plan.

Obwohl ich mich mehr den Helfer*innen zugehörig fühlte, beschäftigte ich mich dann auch mit denselben Aktivitäten wie meine Gleichgesinnten: Kaffeetrinken und die Schlagzeilen der unabhängigen Zeitung meiner Wahl lesen.

 

Lehrpersonen sind auch Schüler*innen – irgendwie

Im Verlauf des Morgens fiel mir auf, dass sich Lehrer*innen gar nicht so stark von uns Schüler*innen unterscheiden. Die Stimmung im Saal ähnelt der im Klassenzimmer stark: die Plätze ganz hinten in der Halle sind die beliebtesten, während der Vorträge wird geplaudert und am Ende traut sich niemand Fragen zu stellen. Der im ICT-Unterricht nahegelegte “Lorem Ipsum“-Platzhaltertext für den Websiteentwurf wird selbst in der Präsentation weggelassen und durch ein komplett sinnfreies “Gorgeous Cotton Pants“ ersetzt.

 

Endlich: Das Interview mit Regierungsrat Kölliker

In der Pause traf ich mich mit meiner Co-Moderatorin von der Berufsfachschule. Zusammen haben wir unsere Fragen an den Regierungsrat nochmals überflogen und mit der Organisatorin die Einzelheiten unsers Aufritts angeschaut. Die Nervosität ist langsam so richtig in uns beiden aufgekommen. Noch ein letztes Mal haben wir unsere Fragen überflogen, uns dann aber zurückgelehnt und den Worten des Regierungsrats gelauscht. Wir wurden auf die Bühne gerufen und von da an ging alles sehr schnell. Zuerst wurde meine Kollegin vorgestellt, dann ich. Im Vorhinein wurden wir gebeten uns Fragen an den Regierungsrat zu überlegen. Ich wollte von ihm wissen, wie er zu einer späteren Schwerpunktwahl, zu einem Schwerpunktfach Informatik und zu Niveauklassen auf Stufe Sek II steht (am Zeitpunkt der Schwerpunktwahl wird nichts geändert, über einen Schwerpunkt Informatik wird auf nationaler Ebene entschieden und ob Niveauklassen in der Mittelschule sinnvoll sind, muss noch auf Grund der Resultate der Sek I evaluiert werden).

 

Überraschende Gegenfrage: Was willst du mitteilen?

Zum Schluss wurden wir mit einer Gegenfrage überrascht: „Gibt es irgendetwas, was ihr den 500 Lehrer und Lehrerinnen in diesem Saal gerne sagen würdet?“ Ich wollte diese Chance unbedingt nutzen, aber mir fiel einfach nichts Gescheites ein. Schlussendlich habe ich gesagt wie cool es für mich sei auf der Bühne vor den Lehrer*innen zu stehen statt im Pult vor ihnen sitzen.

Nach dem Auftritt auf der Bühne habe ich mich zum ersten Mal an diesem Morgen wie ein gleichwertiges Mitglied der Gruppe gefühlt. Bis zu diesem Zeitpunkt wollte jede*r wissen, weshalb ich überhaupt hier sei, nach dem Auftritt war’s klar.

Selbst zwei Tage nach dem Auftritt beim Schreiben dieses Berichtes hat mich aber die Frage zum Schluss des Auftritts nicht losgelassen. Was soll den Lehrer*innen klargemacht werden? Gibt es eine Botschaft, welche nur von einem Schüler kommen kann?

 

Meine Botschaft an die Lehrpersonen

Hätte ich die gleiche Chance nochmals, wären meine Worte wie folgt: “Liebe Lehrerinnen, liebe Lehrer, wohlmöglich spielen Sie die wichtigste Rolle in unsere Gesellschaft. Sie sind dafür zuständig eine ganze Generation auf ihre Zukunft vorzubereiten. Eine ganze Generation an enthusiastischen, interessierten Schüler*innen zu schaffen. Sie alle waren auch mal Schüler*innen, so wie wir es heute auch sind. Wir haben alle unsere Vorlieben, unsere Stärken und unsere Lieblingsfächer. Viel wichtiger als die Förderung der starken Schüler*innen empfinde ich die Unterstützung der desinteressierten Lernenden. Wenn Sie diesen Extraschritt auf sich nehmen und Ihre Passion für Ihr Fach leben, können Sie auch die*den schwächsten Lernende*n erreichen. Für uns gibt es nichts Schlimmeres als ein*e Lehrer*in, welche*r es nicht schafft, die Klasse für ihr*sein Fach zu begeistern oder es zumindest probiert. Wenn ich eine Bitte an alle Lehrer*innen in diesem Raum hätte, wäre es: Nehmen Sie es auf sich, eine ganze Generation an Jugendlichen zu begeistern. Ihr gemeinsames Ziel soll sein jede und jeden einzelnen Lernenden in Ihrem Klassenzimmer zu erreichen, koste es, was es wolle.”

 

Bild: https://www.sg.ch/bildung-sport/ueber-bildung/bildungstag-sek-ii.html