Herr Sieber unterrichtet seit acht Jahren an der KSBG in den Fächern Geografie und Informatik. Was ihn auszeichnet: Sein grosser CO2-Fussabdruck, den er sich in zehn Jahren Pilotendasein zugelegt hat. Heute kommt er so oft wie möglich mit dem Fahrrad zur Schule.
Im Interview erzählt er von einer verschwenderischen Generation im Paradies, seiner Sicht auf die Flugindustrie und von der Rolle des Geografielehrers in Zeiten des Klimawandels.
Wie hat sich das Thema «Klimawandel» in der Zeitspanne von Ihrer Kindheit bis jetzt entwickelt?
Ich wuchs bescheiden auf, lebte mit meiner Familie in einer 3-Zimmerwohnung, mein Hauptfortbewegungsmittel war das Fahrrad. Trotz begrenzter Mittel wollte mein Vater uns Kindern die Welt zeigen. Er investierte in Reisen, um unseren Horizont über die Arbeitersiedlung hinaus zu erweitern. Dafür bin ich ihm dankbar. Zu dieser Zeit war der Klimawandel kein Thema, über die Folgen unseres Handelns machten wir uns keine Gedanken. Heute sieht das ganz anders aus.
Sie waren ab 2008 als Langstreckenpilot tätig. Würden Sie diesen Beruf, angesichts der Klimakrise wieder wählen?
Sofort! Als Pilot habe ich viel gelernt, in einem professionellen Umfeld, wovon sich diese Schule etwas abschneiden sollte. Der Treibstoffverbrauch pro Kilometer und Person ist kaum höher als beim Auto. Das Problem liegt in schnellen, günstigen Reisen, etwa für ein Wochenende nach London oder zum Weihnachtsmarkt in New York – mit dem Auto undenkbar.
Ist es in der heutigen Zeit ein politisches Statement, Pilot zu werden?
Nein, die Wahl, Pilot zu werden, erfolgt nicht aus politischen Motiven. Ein Grossteil der Aviatikfirmenausgaben, 75-80 Prozent, fliessen in den Treibstoff, weshalb die Branche ein starkes Interesse daran hat, die Emissionen zu minimieren. Besonders die jüngere Generation tendiert zum sparsamen Fliegen.
Hat der Beruf eine Zukunft?
Ja, wir werden auf die Flugindustrie als verbindendes Element einer globalisierten Welt nicht verzichten können, denn dieser Planet benötigt eine Möglichkeit zum physischen Austausch. Wichtig ist das Mass und dass durch neue Technologien nachhaltigere Lösungen entwickelt werden.
Lässt sich das Fliegen mit unseren Klimazielen vereinen?
Der Weg zur CO2-neutralen Luftfahrt ist weit. Aktuell können Emissionen durch Investitionen in Klimaschutzprojekte kompensiert werden. Ich sehe das kritisch, da es Umweltverschmutzung gegen Geld legitimiert.
Inwiefern hat Ihr Fachwissen zum Thema Klimawandel einen Einfluss auf Ihren Alltag? Wie verkleinern Sie ihren Fussabdruck?
Als Klimatologe im Cockpit wurde ich schräg angeschaut, nutzte jedoch meine Position, um CO₂ zu sparen, etwa durch gezieltes Tanken. Zu Hause lebe ich Ressourcenschonung vor und brachte meine Kinder per Fahrrad zur Kita. Manche hielten mich wohl für arbeitslos, dabei flog ich am Wochenende. In unserem Mehrfamilienhaus setzte ich durch viele Gespräche den Umstieg auf Fernwärme und eine Solaranlage durch.
Denken Sie, dass Ihr Unterricht klimaschonendes Verhalten fördert?
Im schulischen Kontext ist das schwierig. Es ist einfacher, den Kindern zu Hause vorzuleben das Fahrrad zu nehmen oder regionale Produkte zu essen. Der Geografieunterricht vermittelt die theoretische Kenntnis über den Klimawandel als Fundament für die Änderung des Verhaltens im Alltag.
Wie vermitteln Sie den Schülerinnen und Schülern das Thema Klimawandel?
Im Unterricht arbeite ich mit Argumenten von Klimaleugnenden, um sicherzustellen, dass die jungen Leute nicht auf gute Falschargumentationen reinfallen.
Die Entscheidungen, welche euren Fussabdruck betreffen, werden oft von euren Eltern getroffen. Daher muss es das Thema Klimawandel vom Klassenzimmer an den Esstisch schaffen und in der Familie diskutiert werden.
Ist das Verhalten der heutigen Generation klimaschonend?
Tausendmal klimaschonender als zu meinen Zeiten als Schüler. Niemand interessierte sich damals dafür zu sparen. Im Gegenteil: Was viel verbrauchte, bedeutete Wohlstand und Status.
Hier hat ein Umdenken stattgefunden – eine positive Entwicklung!
Was könnten wir Schülerinnen und Schüler tun, um das Klima zu retten?
Der beste Weg, etwas zu verändern, ist in der Familie. Es gilt, Diskussionen anzuzetteln, zu fragen: «Ist es nötig zu fliegen, wenn man auch den Nachtzug nehmen könnte?». Kleine Dinge, wie die Fortbewegung mit ÖV oder Fahrrad sind Tropfen auf den heissen Stein, Demut vor der Natur und das Wissen darüber, dass es Möglichkeiten gibt, sie nicht so stark zu übernutzen, können aber von Generation zu Generation weitergegeben werden und Grosses bewirken.
Welche Möglichkeiten gibt es für Lernende an der KSBG, sich zum Thema Klimawandel weiterzubilden oder etwas zu bewirken?
Der Klimarat, das Ergänzungsfach Nachhaltigkeit und Maturaarbeiten zu klimarelevanten Themen bieten Möglichkeiten zur Weiterbildung und Mitgestaltung an der Schule. Jedoch halte ich es für wichtiger, sich in der Freizeit mit dem Klimawandel zu befassen. Wir brauchen mehr junge Menschen in der Politik!
Gibt es ein Erlebnis, das sie in Bezug auf den Klimawandel inspiriert hat?
Ein Flug nach New York: Mein Kollege wollte zehn Tonnen Kerosin tanken, was angesichts der Bedingungen übertrieben schien. „Das habe ich immer so gemacht“, hiess es. Nach kurzer Diskussion einigten wir uns auf weniger und ich sparte durch ein fünfminütiges Gespräch meinen persönlichen CO₂-Verbrauch von drei Jahren.
Was kann Ihre Generation von uns lernen?
Ihr macht euch Gedanken über die Klimakrise, geht für den Umweltschutz auf die Strasse. Das hätte es zu meiner Zeit nicht gegeben – wieso auch. Das Waldsterben war vorbei, die Berliner Mauer gefallen. Wir wuchsen im Paradies auf.