«Die Kleidung war fürchterlich, aber wir haben uns gut darin gefühlt»

Prorektor Stefan Strasser, für manche wegen gewagter Krawatten und seiner Liebe zu Converse-Schuhen die Modeikone der KSBG, gibt dem kürzlich verstorbenen Karl Lagerfeld Recht: Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über das Leben verloren. Ein Gespräch über Mode – und über die Zeit, als Strasser selber noch Schüler war.

Um Sie direkt einmal ins kalte Wasser zu werfen: Was halten Sie generell von der Kleidung der Schüler?

Stefan Strasser: Lassen Sie mich etwas ausholen. Das Bildungsziel umfasst nicht ausschliesslich die Wissensvermittlung, sondern auch die «persönliche Reife» (Art. 5 Reglement der EDK über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen, sGS 230.311). Unsere Kernaufgabe besteht also darin, zur allgemeinen Studierfähigkeit hinzuführen sowie zu einer vertieften Gesellschaftsreife zu verhelfen. Diese Aufteilung in diese zwei Ziele gefällt mir. Ihre Frage peilt auf einen Bereich des zweiten Zieles: Umgangsformen und Stilfragen.

 

Das interessiert Sie, oder?

Strasser: Ja. Die Lektüre der Rubrik «Hat das Stil?» in der NZZaS ist ein Ritual. Auch wenn sich einiges in den letzten 200 Jahren geändert hat, ist doch etwas gleichgeblieben: Korrekte Umgangsformen und guter Stil sind nie out. So gelangen wir auch endlich zum eigentlichen Thema. Beispielsweise gibt es bei Bewerbungsgesprächen einige Fauxpas: weisse Socken zum schwarzen Anzug oder Kurzarmhemden zu Krawatte. Korrekt ist etwa, wenn die Krawatte mit der Spitze die Gürtelschnalle berührt, der Gürtel farblich auf die Schuhe abgestimmt ist und bei der Weste der unterste Knopf offen ist. Gratistipps von Herrn Strasser!

 

Ein berühmtes Zitat von Karl Lagerfeld lautet folgendermassen: «Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über das Leben verloren.» Was sagen Sie dazu?

Strasser: Ich stimme ihm völlig zu. Schmunzeln musste ich, als mir ein Schüler erklärte, dass es seiner Meinung nach heissen müsste: «Wer ein Shirt (vom Fussballclub eurer Wahl) trägt, hat die Kontrolle über das Leben verloren.» Ich lasse es mir aber nicht nehmen, jeweils bei der Verteilung der Vor- und Hauptmaturapläne darauf hinzuweisen, dass eine korrekte Kleidung durchaus für die mündliche Prüfung denkbar ist. An der Maturafeier ist auch eine «der Situation angepasste Kleidung» erwartet. Der Kleidungsstil wird sehr wohl wahrgenommen von den Lehrern, da bin ich überzeugt. Ein persönlicher Stil ist wichtig und schön, doch gibt es Formen und Gelegenheiten, bei denen manche Kleidungsstücke deplatziert sind.

 

Als Sie in der KSBG Schüler waren, wie haben dort die Schulgänge ausgesehen?

Strasser: Die Schulgänge in den 80er-Jahren waren um einiges anders, aber für mich prägend. In der digitalen Welt gab es Revolutionen. Mit dem Commodore 64 (C64) haben wir den Einstieg in die digitale Welt erlebt. Den Informatikunterricht hatte ich auf dem Apple Macintosh mit revolutionärer 3.5”-Diskette. Und die Popstars hiessen Michael Jackson, Prince, Whitney Houston, Tina Turner, Elton John, Van Halen oder John Lennon. Nicht zu vergessen ist der heute noch aktive Dieter Bohlen, der zusammen mit Thomas Anders als «Modern Talking» Stammgast in den Hitparaden war. Andere Gruppen waren beispielsweise Braclay James Harvest, The Bangles, U2 und wie sie alle heissen. Und dann natürlich die «Neue Deutsche Welle» mit Nena, Falco, die Toten Hosen, Trio.

 

Und die Kleidung?

Strasser: Aus der Distanz betrachtet war die Kleidung fürchterlich, aber wir haben uns gut darin gefühlt. Die Mode war voller Lebensfreude und schrill. Gefahr lief man ausgegrenzt zu werden, wenn man keine weissen Tennissocken oder Schulterpolster trug. Leggins, selbstgestrickte Stulpen, Body und Stirnband gehörten zum allgegenwärtigen Aerobic. Wir Poppers trugen Lederkrawatten und Pastellfarben wie es nur ging. Kombiniert mit nicht endend wollenden Ketten (sogar das Portemonnaie wurde mit einer Kette an der Hose fixiert) und Armbändern aus Leder. Das Makeup für Frau und Mann passte zur Farbenwelt. Sneaker waren die alltäglichen Schuhe (wer es ganz korrekt machen wollte: ohne Schnürsenkel). Bei der Frisur ging bei den Herren nichts über Vokuhila und für die Damen toupiertes Haar.

 

Heute tragen Sie stylische Krawatten. Woher haben Sie die?

Die ersten Krawatten hat mir meine Frau geschenkt, die neueren sind Erinnerungen von und an Maturaklassen.

 

Besitzen Sie für jeden Anlass eine passende Krawatte?

Mittlerweile ist es tatsächlich so, dass ich Krawatten nicht ausschliesslich zur Kleidung, sondern auch adäquat zum Anlass wähle. Es freut mich, wenn Ihnen das auffällt und ich Ihnen damit eine Freude machen kann.

 

Welche Farbe mögen Sie am meisten bei ihren Converse Schuhen?

Die Converse besitze ich ausschliesslich in rot und weiss. Rot trage ich oft zu Bluejeans, weiss gerne zu schwarzer Hose und weissem Hemd – black and white. Beides aber natürlich nur am «Casual Friday».

 

Was können Sie den Schülern auf ihrem Modeweg mitgeben? Gibt es Sachen, welche geändert werden müssen?

Meiner Meinung nach macht die Jugend von heute ihre Sache gut. Das sage ich gerne auch bei Klassenzusammenkünften 30, 40, 50 oder 60 Jahre nach der Matura, wenn ich die Gruppen durch das Haus führen und erklären darf, was sich seit ihrem Abschluss geändert hat. Es freut mich, dass mein Eindruck geteilt wird.

 

Haben Sie Mode-Tipps für uns?

Es ist schwierig, jemandem Tipps zu geben, der seine Sache grundsätzlich gut macht. Da gab es auch schon andere Zeiten. Froh wäre ich, wenn Karl Lagerfelds Meinung zu Jogginghosen mehr Beachtung geschenkt würde. Im Gegenzug bin ich stolz auf die festlich gekleideten Absolventinnen und Absolventen an den Maturafeiern und dem Maturaball.

  1. Eine Klasse der KSBG aus dem Jahr 1918
    (Quelle: Die Kantonsschule am Burggraben
    1856 -2006, Baumann, Noger)
  2. Eine Klasse der KSBG aus dem Jahr 1901/02
    (Quelle: Die Kantonsschule am Burggraben
    1856 -2006, Baumann, Noger)
  3. Eine Klasse der KSBG aus dem Jahr 1952
    (Quelle: Die Kantonsschule am Burggraben
    1856 -2006, Baumann, Noger)
  4. Eine Klasse der KSBG aus dem Jahr 1975
    (Quelle: Die Kantonsschule am Burggraben
    1856 -2006, Baumann, Noger)