Rekrutenschule während dem Lockdown

Bild: mediathek.amdin.ch

R.M* absolviert derzeit die Rekrutenschule bei der Stabskompanie in Herisau. Anlässlich seines ersten Heimurlaubes seit sechs Wochen gab er Auskunft über seine Zeit bis dato. Zum heutigem Zeitpunkt befindet er sich in der 15. Woche und hat hautnah miterlebt, wie der neue Corona-Virus den Alltag während seiner Dienstzeit verändert hat.

Wie sah dein Alltag als Rekrut vor dem neuen Corona-Virus aus?

Der Alltag war ziemlich genau strukturiert. Meist standen wir morgens vor 6 Uhr auf, haben wenn immer möglich Morgensport getrieben und danach gemeinsam gefrühstückt.  Anschliessend wurde der Rucksack gepackt und ins Breitfeld verschoben, um dort das Schiessen, Funken oder den Aufbau des Kommandozeltes zu üben. Am Abend hatten wir manchmal Biwaks. Dabei schliefen wir draussen unter aufgespannten Zeltblachen. An anderen Abenden haben wir bis zehn Uhr Gewehre oder Schuhe geputzt. Normalerweise geht das Schuheputzen nur fünf Minuten, aber da die Vorgesetzten uns manchmal etwas ärgern wollten, konnte es auch eine Stunde dauern.

Wie hat der neue Corona-Virus den Alltag verändert?

Wir tragen nun den ganzen Tag Schutzmasken. Wir haben spezielle Masken mit besserer Schutzmembran bekommen, mit denen wir etwas weniger als zwei Meter voneinander entfernt sein dürfen, da sonst vieles nicht möglich wäre. Im Duro, ein Transportfahrzeug mit 20 Sitzplätzen, dürfen jetzt nur noch zwei Personen vorne sitzen und hinten sind nur noch vier Personen erlaubt. Die Abende sehen sehr unterschiedlich aus. Da Biwaks verboten sind, haben wir eigentlich jeden Abend Freizeit. Uns werden Bälle und Pingpong-Tische zur Verfügung gestellt, allerdings müssen wir darauf achten, dass wir immer zwei Meter Abstand einhalten. In den Schlafsälen haben wir zuerst die Betten gedreht, so dass wir mit den Füssen gegeneinander lagen. Jetzt ist das allerdings anders. Wir haben die Schränke zwischen die Betten gestellt, dadurch sind wir besser geschützt.

Wie ging es dir während der Zeit ohne Heimurlaub?

Man erfährt nicht viel von der Aussenwelt. Es war hart, aber wir müssen optimistisch bleiben.

Findest du es wichtig, dass die Armee in dieser Krise auch mithilft?

Ich finde es gut, dass es das Militär gibt und in dieser Krise mithelfen kann. Wir wurden extra im Fachbereich Sanität geschult, damit wir allenfalls im Spital aushelfen könnten.

Hast du gewisse Erfahrungen gewonnen, die du im weiteren Leben brauchen kannst?

Die Ausbildung in der Rekrutenschule bringt mir persönlich für das weitere Leben nicht viel. Was ich von der Rekrutenschule mitnehme, ist das Zwischenmenschliche. Durch die Ausgangssperre mussten wir lange mit den Kollegen aus der Rekrutenschule ausharren, deshalb war es wichtig, dass man sich gut untereinander verstand, sonst wäre das eine schwere Zeit gewesen. Das war eine gute Erfahrung, die mich am meisten geprägt hat.

Hat das Militär jetzt eine andere Wichtigkeit für dich als vor der RS?

Meiner Meinung nach hat die Armee besonders in dieser Krise schon ein bisschen an Wichtigkeit gewonnen. Bevor ich in der Rekrutenschule einrückte, dachte ich, dass es mich nicht unbedingt braucht. Das Militär ist sicher nicht unnötig. Dem Schweizer Militär gelang es mit der Mobilisierung möglichst viele Personen in kurzer Zeit aufzubieten. Es ist erstaunlich, dass diese Personen trotz dieser Kurzfristigkeit so schnell bereit sind, einzurücken. Und das hat mich schon noch beeindruckt.

Sollte man die Armee abschaffen oder beibehalten?

Das haben wir viel untereinander diskutiert. Ich bin ein bisschen zwiegespalten. Meiner Meinung nach wäre eine Berufsarmee die bessere Lösung. Das was wir den ganzen Tag machen, sind nur Simulationen, falls etwas passieren würde. Ich glaube, in der heutigen Gesellschaft ist es sehr unwahrscheinlich, dass vor allem so ein gut entwickeltes Land wie die Schweiz, noch mit Waffen Kriege führen wird. Ich gehe davon aus, dass es eher in Richtung Technologie-Krieg gehen würde. Wir stecken Milliarden in diese Szenarien, die meiner Meinung nach nie eintreffen werden.

Aber denkst du, dass es genug Freiwillige für ein Berufsmilitär gäbe?

Es gibt sicherlich solche, die das Militär freiwillig machen würden, allerdings braucht es auch nicht so viele Leute. Die meisten, die mit mir die Rekrutenschule absolvieren, sind nicht begeistert davon, hier zu sein. Wenn man eine Sache nicht machen will, dann kann man sie auch nicht gut machen. Wären die Leute motivierter, würde vieles sehr viel schneller und einfacher gehen.

Strebst du eine Militärkarriere an?

Ich war auf der Liste der Leute, die weitermachen sollten. Ich musste dann sehr viel unternehmen, damit ich keine Militärkarriere machen muss. Zehn Leute wurden beinahe dazu gezwungen. Du darfst einfach nicht positiv auffallen und nie alles geben, wenn du nicht weitermachen willst.

Sollte das Militär deiner Meinung nach auch für Frauen zur Pflicht werden?

In meinem Zug hat es vier Frauen, die aus verschiedenen Beweggründen das Militär absolvieren. Zum Beispiel haben sie die Struktur im Leben nicht gefunden und sind daher ins Militär, da es dort strukturiert und diszipliniert ist. Andere wollten es einfach mal versuchen.

Gewisse Funktionen sind anstrengender für Frauen als für Männer. Wir helfen uns gegenseitig. Frauen sind im Militär nicht einfach Frauen, sondern wie Kollegen. Sie werden genau gleichbehandelt wie das männliche Geschlecht. Das ist auch gut so. Ich denke, wenn eine Frau das wirklich will, dann schafft sie es auch.

Gibt es deiner Meinung nach auch Jobs im Militär, für die Frauen besonders geeignet sind?

Das Militär hat verschiedene Funktionen, die für Frauen kein Problem sind. Militär ist nicht nur Rucksack und Gewehr tragen. Wir haben auch Funktionen wie Funken oder Material bereitstellen. Ich denke, da ist eine Frau genauso gut wie ein Mann, wenn nicht sogar besser.

*Name der Redaktion bekannt

Bildquelle:  https://www.mediathek.admin.ch/media/image/eef4c774-9895-4b3a-8b94-6edc3666541b