Schüler*innenschaft, Ärzt*innen oder Fußgänger*innenstreifen – Warum sollte mensch sich das Gendern antun?

Auf den ersten Blick scheint es für viele zu kompliziert und umständlich, doch Befürworter*innen finden, dass man sich rasch daran gewöhnt, wenn man möchte: Das Gendern. Abgesehen vom Sonderzeichen inmitten eines Wortes geht es beim Gendern um viel mehr. Es geht um die Gleichberechtigung für alle Geschlechter, welche durch das Nutzen geschlechtergerechter Sprache etwas näher rücken könnte. Und ausserdem: Aller Anfang ist schwer. Lohnt es sich, diese Anfangsschwierigkeiten auf sich zu nehmen?

 

Was ist „Gendern“ überhaupt?

Mit dem Begriff „Gendern“ ist das Nutzen von geschlechtsgerechter Sprache gemeint. Im Deutschen gelten männliche Endungen für alle Geschlechter, was man auch „generisches Maskulinum“ nennt. Um dieses Prinzip aufzubrechen, also zu gendern, wird zwischen der männlichen und weiblichen Endung eine Änderung in Form eines Sonderzeichens vorgenommen. Korrekterweise müsste man diesen Akt aber als „entgendern“ bezeichnen, denn man nimmt einem Wort das rein männliche und macht es sogenannt “geschlechtsneutral”. Es gibt inzwischen zahlreiche verschiedene Möglichkeiten (siehe unten), wie man in der deutschen, männerdominierten Sprache auch die Frauen gleichermassen ansprechen kann oder je nach Verwendung des Sonderzeichens auch alle non-binären und transgender Personen.

“Non-binär” sind all jene Menschen, die weder männlich noch weiblich sind oder gleichzeitig beides. Als “transgender” bezeichnet man Leute, die sich nicht mit dem bei ihrer Geburt zugeordneten Geschlecht identifizieren.

Die Trans Pride Flag wurde im Jahr 1999 von Monica Helms designt.

Die Nonbinary Pride Flag wurde 2014 von Kye Rowan designt.

Wieso Gendern? Oder: Wieso nicht?

Hierzu eine kurze Beispielsgeschichte, inspiriert durch einen Artikel der Seite genderdings.de: Vater und Sohn machen eine Fahrradtour und verunfallen dabei beide unglücklich. Sie werden daraufhin also in ein Krankenhaus gebracht, in dem ein angesehener Chirurg arbeitet. Als alles für die Operation des Jungen vorbereitet ist, erscheint der Chirurg, erschrickt gleich darauf heftig und sagt: “Ich kann nicht operieren, das ist mein Sohn!”

Möglicherweise bist du jetzt etwas irritiert. Nun, der im Beispiel genannte Chirurg ist eine Frau. In einer Gesellschaft, in der das generische Maskulinum gilt, ist es kein Wunder, dass die meisten beim Wort “Chirurg” zuerst an einen Mann denken. (Theoretisch wäre auch das möglich, denn der Verunfallte könnte auch zwei Väter haben.)

Zu den unzähligen Faktoren, die eine solch frauenunterdrückende Sprache zulassen, gehören auch die ganzen Medienportale, Zeitschriften und Plakate, die unser tägliches Umfeld mit genau dieser (oftmals ungewollten) Unterdrückung schmücken und sie verstärken. Es ist offensichtlich, dass die Medien heutzutage immense Macht auf unsere Sprache und unser Denken haben.

Im öffentlichen Raum wurde bisher nur selten gegendert.

Stellen wir uns einmal vor, wie sich unsere alltäglichen Gespräche verändern würden, wenn in unseren Schulbüchern nicht nur auf die Philosophen, sondern auch auf die Philosoph*innen der Vergangenheit aufmerksam gemacht werden würde. Wenn wir nicht nur Klassenkameraden hätten, sondern auch Kamerad*innen, also nicht nur Jungs, sondern auch Mädchen und Jugendliche mit anderen Geschlechtsidentitäten. Wir wären dann nicht mehr nur Teilhaber einer grossen Mannschaft, sondern Teilhaber*innen einer noch grösseren, weltoffenen Gesellschaft, in der Frauen, Männer und alle, die sich dazwischen oder drumherum befinden, einen Platz gewinnen. Wäre das nicht HERRlich, beziehungsweise MENSCHlich und äusserst angenehm für uns alle?

Wie werden wir eine offenere Gesellschaft?

Um das zu erreichen, müssten eventuell einige tief zurückgreifende Dinge, wie die deutsche Grammatik leicht abgeändert werden, was nicht ganz einfach ist, möglich aber auf jeden Fall. Feminist*innen sind sich grösstenteils einig, dass das Gendern ein Anfang für mehr Gleichberechtigung sein kann und dass ein kleiner Schritt zu genau diesem Ziel besser ist als gar keiner.

Vielleicht fragst du dich jetzt, ob hier der Bogen nicht gerade etwas überspannt wird, denn zumindest in der Schweiz geht es den Frauen ja gar nicht mal so schlecht. Manch eine*r würde sogar sagen, dass sich Männer und Frauen rechtlich und gesellschaftlich inzwischen ziemlich auf Augenhöhe befinden. Was will frau noch mehr? Tatsächlich hat sich in den letzten 100 Jahren für weibliche Personen vieles zum Positiven verändert, jedoch sieht die Realität bei genauerem Hinsehen etwas anders aus, immer noch. Nach wie vor bekommen Frauen tendenziell minderwertigere Löhne als ihre männlichen Arbeitskollegen mit demselben Job und Pensum. All dies, obwohl das Gesetz “gleiche Arbeit, gleicher Lohn” seit dem Jahr 1981 in der Bundesverfassung vorliegt.

Frauen verdienen durchschnittlich weniger als Männer, die dieselbe Arbeit ausführen.

Noch immer werden medizinische Behandlungen in unseren Spitälern oftmals in erster Linie an den typisch männlichen Körper angepasst, was eine Person mit klassisch weiblichem Körper nichts Geringeres als ihr Leben kosten kann. Autos werden üblicherweise so gebaut, dass die Positionierung von Airbag, Lenkrad, Kopfstützen und Gurten einem durchschnittlichen Mann das Maximum an Sicherheit gewähren kann. Die Resultate der obligatorischen Crashtests an allen Autos in der EU zeigen auf, dass die durchschnittliche Frau hingegen bei einem Verkehrsunfall ein um 47 Prozent erhöhtes Risiko hat, sich zu verletzen. Die besagten Tests werden nämlich nur mit männlichen Dummys durchgeführt.

Und so weiter und so fort. Es besteht kein Zweifel, dass weibliche Personen nach wie vor mehr Unterdrückung erfahren als ihre männlichen Zeitgenossen. Und um hier eine Veränderung zu beginnen, gäbe es ja wohl kaum eine einfachere Weise als mit kleinen Sternchen, die in unseren Worten die Gleichberechtigung mehr zum glänzen bringen können, oder nicht?

“Das Gendersternchen stört meinen Lesefluss!“

Ein häufiges Argument gegen das Gendern mit Gendersternchen: “Mein Lesefluss wird durch das Sternchen mitten im Wort gestört.” Ja, es mag ungewohnt sein und für manche vielleicht auch störend. Diese Aussage widerspiegelt jedoch einmal mehr, wie ungewohnt es für viele von uns ist, Männer und Frauen (und alles dazwischen und drumherum) sprachlich gleichzusetzen. Die leichte Irritation, die einige beim Lesen eines gegenderten Wortes verspüren, könnte auch etwas Gutes bedeuten. Sie könnte der Schlüssel zur Tür der Veränderungen sein, zu einer Zukunft, in der einem beim Lesen der Stern gar nicht mehr auffällt, da es sowieso klar ist, dass alle Geschlechter gemeint sind.

Kleine Sternchen können Grosses bewirken. 

Gendern, wie geht das?

Neben dem Gendersternchen gibt es auch noch andere Möglichkeiten, um Wörter zu gendern. Dazu gehören beispielsweise der Doppelpunkt, welcher für Menschen mit Sehbehinderung von Vorteil sein kann oder der Unterstrich, mit dem eine Geste des Platzmachens für alle weiteren, nicht bereits angesprochenen Geschlechter dargestellt wird. Außerdem gibt es da noch das Binnen-I, sowie den Schrägstrich, welche auch gerne fürs Gendern verwendet werden, jedoch nur männliche und weibliche Personen miteinschliessen und keine non-binären.

Übung mach den*die Meister*in

Es ist nicht zwingend nötig, dass mensch von einem Tag auf den anderen eine neue “fancy” Ausdrucksweise entwickelt, um keine frauenunterdrückende Person zu sein. Mensch muss auch nicht jederzeit sichergehen, dass auch bestimmt kein Wort benutzt wird, das männlichen Ursprungs sein könnte oder dergleichen. Das Wort “man” darf weiterhin benutzt werden. Es sollte jedoch darum gehen, zu versuchen, aus Polizisten die Polizist*innen zu machen und den Lehrer als Lehrperson oder den*die Lehrer*in zu bezeichnen und somit jede Person in die deutsche Sprache miteinzubeziehen.

Was hat das Gendern mit Kanti live zu tun?

Wir von Kanti live möchten in Zukunft mehr auf das Nutzen von geschlechtergerechten Ausdrücken achten, da es unserem Team ein Anliegen ist, dass Frauen und Männern ausgeglichene Chancen gewährt werden. Für unsere Artikel haben wir uns auf die Nutzung des Gendersternchens geeinigt, da es Menschen jedes Geschlechts integriert.

Das Ziel des Genderns: Chancengleichheit in der Sprache für Frauen, Männer und alle anderen.

Gefällt dir dieser Beitrag? Würdest du gerne mehr wissen über Massnahmen für mehr Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft ? Dann darfst du dich auf weitere Artikel dazu freuen, die schon bald erscheinen werden. Unter anderem werden dabei die Themen “Catcalling” und “Das Gendern beim Tagblatt” behandelt.

 

Quellen:

 

Buch:

  • Criado-Perez, Caroline. (2020). Invisible Women: Exposing Data Bias in a World Designed for Men.

Beitragsbild:

Bild 1 und 2:

Bild 3:

Bild 4:

Bild 5:

Bild 6:

Bild 7: