Das Leben als Marathon, nicht als Sprint

Die Bedeutung von mentaler Gesundheit wird in unserer Gesellschaft stark unterschätzt. Psychische Beschwerden werden häufig als Charakterschwäche abgetan und ignoriert. Dieser Artikel bietet 5 praktische Tipps von einem Maturanden, basierend auf neustem Fachwissen und eigenen Erfahrungen.

Dauerstress – «komm mal runter»

Ich denke es macht Sinn, sich zuerst einmal mit dem zu befassen, was sehr oft falsch läuft, und die Probleme der heutigen Gesellschaftsformen und Lebensweisen für psychisches Wohlbefinden zu identifizieren.

Viele von uns tendieren dazu, unseren Alltag fix und fertig durchzuplanen, und wir versuchen manchmal verzweifelt jede Minute mit einer sinnvollen Aktivität zu füllen. Dieses ständige Aktiv-Sein mag uns zwar das Gefühl von Produktivität und erfüllter Leistung geben, hat jedoch auch eine Kehrseite. Ständig auf Trab zu sein, bedeutet, dass unser Geist keine Gelegenheit mehr findet, frei zu wandern, und Gedanken, welche uns vor allem auch unterbewusst beschäftigen, werden stets verdrängt. Auch wenn wir unsere Aktivitäten als angenehm empfinden, bedeutet die konstante Beschäftigung dennoch eine konstante Ausschüttung von Cortisol, dem Hormon, welches auch als Stresshormon bezeichnet wird. Der Sympathikus, der Teil unseres vegetativen Nervensystems, welcher in der Geschichte unserer Evolution in brenzligen Situationen aktiv wurde, läuft heutzutage immer auf Hochtouren. Statt einer Balance zwischen „rest and digest“ und „fight or flight“, befinden wir uns sozusagen immer auf der Flucht vor einem wilden Säbelzahntiger. Doch die körperliche Antwort, also das Wegrennen vor dem Raubtier, erfolgt in unserem heutigen Alltag nicht mehr, und wir haben keine Möglichkeit, den Stress in einigermassen kurzer Frist wieder abzubauen. Dieser Zustand führt über längere Zeit nicht nur zu einem Gefühl von Ermüdung (dem sogenannten „Burnout“, was übersetzt „ausbrennen“ bedeutet), auch unser Immunsystem wird in Mitleidenschaft gezogen: kein wünschenswerter Zustand also.

Mentale Balance – «einfach mal chillen»

Was können wir dagegen unternehmen? In dieser Frage liegt auch gleich das Problem und die Antwort verborgen. Es geht genau darum, bewusst und geplant in unseren Alltag Phasen des „Nichts-Tuns“ einzubauen. Solche Pausen sollten aus geistig nicht anspruchsvollen Aktivitäten oder reinem Nichts-Tun bestehen. Sehr gut eignen sich auch Spaziergänge in der Natur, Haushalts- oder Gartenarbeiten, sozialer Austausch oder Meditation.

Selbstreflexion – «Tagebuch schreiben»

Mir persönlich hilft es auch, ein Tagebuch zu führen, in welchem ich den erlebten Tag reflektiere und mir bewusst werde, in welchen Phasen ich besonders gestresst war und was mir geholfen hat oder was ich das nächste Mal besser machen sollte, um wieder runterzufahren. Hier helfen auch sehr gut Gespräche mit Freunden oder Familienmitgliedern. Wenn man sich wirklich über längere Zeit psychisch nicht gut fühlt, ist es eine sehr gute Entscheidung, sich auch nach professioneller Hilfe umzusehen. Dies ist auf keinen Fall eine Schande, sondern ein kluger Schachzug, denn wer nicht nach sich selbst schauen kann, der kann auch sein Umfeld nicht unterstützen.

Prioritäten setzen – «Was ist mir eigentlich wichtig?»

Eine andere Technik ist es auch, sich seiner Prioritäten im Leben bewusst zu werden und für diese im Alltag konkret Zeit zu reservieren. Wenn jemandem zum Beispiel die 5 Punkte Studium, Familie, Freunde, Sport und Lesen besonders wichtig sind, sollte er sich für jeden einzelnen Punkt auch entsprechend Zeit nehmen und nicht alles zum Beispiel dem Studium und Sport unterordnen. Mir ist bewusst, dass es durchaus Phasen gibt, in denen einzelne Punkte mehr Gewichtung brauchen. In diesen Phasen, wie zum Beispiel vor den Matura-Prüfungen, ist es umso wichtiger auch mal den Kopf freizubekommen, auch wenn es nur ein kurzer Spaziergang in der Natur ist oder ein Essen mit der Familie. Sport zum Beispiel, hilft mir persönlich immer dabei, einfach mal abzuschalten und an nichts mehr zu denken.

Nein sagen können – «Nein, stopp, halt, mir reichts!»

Um für seine Prioritäten genügend Zeit zu haben, ist es sehr wichtig, die Fähigkeit zu besitzen, „Nein“ sagen zu können. Das ist etwas, was mir persönlich immer noch sehr schwerfällt. Es gibt unzählige tolle Projekte, bei denen man mitwirken könnte und welche einem auch ein Gefühl von Sinn und Gemeinschaft vermitteln. Doch wenn man bei zu vielen Sachen dabei ist, kann man seine Energie nicht mehr bündeln und liefert nur noch «durchschnittliche» oder schlechtere Resultate ab. Nein zu sagen, ist auf keinen Fall ein Zeichen von Schwäche, sondern eine grosse Stärke, da man so für die eigene mentale Gesundheit einsteht.

Soziale Beziehungen – «Ruf mal den Lukas an!»

Zeit mit Freunden kann eine sehr heilende Wirkung mit sich bringen. Oft hilft es zum Beispiel, seine Sorgen mit jemandem zu teilen oder eine vertraute Person um Rat zu fragen. Sollte auf euch mal jemand mit einem ernsten Problem zukommen und ihr möchtet dieser Person gerne helfen, erreicht ihr dies jedoch besser durch Nachfragen und Zuhören als durch aktive Ratschläge. Häufig hilft es den Betroffenen, sich so besser über die Ursachen und mögliche Lösungen des Problems klar zu werden. Schlussendlich liegt es nämlich immer in der eigenen Verantwortung, aktiv etwas zu verändern, wenn die Betroffenen mit ihrer aktuellen Situation nicht zufrieden sind.

Fazit – «Was habe ich gelernt?»

Wenn es nur etwas ist, was ihr von diesem Artikel mitnehmt, dann sollte es Folgendes sein: Die Pflege unserer mentalen Gesundheit ist kein zusätzlicher und energieraubender Aufwand – im Gegenteil, erhalten wir enorme Kraft zurück und können den Marathon des Lebens auf nachhaltige Art und Weise meistern.

Wenn ihr das Gelesene als hilfreich empfandet, teilt es doch mir euren Freunden und Familien. Wie schon anfangs erwähnt ist mentale Gesundheit ein Thema, das in unserer Gesellschaft häufig zu kurz kommt. Es liegt in unser aller Verantwortung das zu ändern.

Ein Bericht von Leonhard Kick

 

Quellen:

Eigene Erfahrungen

Santepsy, https://www.santepsy.ch/de/seiten/tout-au-long-de-la-vie/wie-kummere-ich-mich-um-meine-psychische-gesundheit-77

Swiss Academy of Fitness and Sport, https://www.safs.com