Otherside – die andere Seite der Queers

(Bild: Instagram: otherside.lgbtq)

In einem Umfeld voller Missverständnisse, und wo ein Mangel an Klarheit herrscht, findet sich neu eine Gruppe, die der Offenheit eine Chance geben möchte.

Die flackernden Lichter der Bar La Buena Onda, laden die Passanten ein, herein zu kommen. Die blaugrünen Wände hinter dem Sofa, auf dem sich eine Gruppe Menschen versammelt hat, wirken kühl, passen aber harmonisch zum Ambiente der Bar. Die Leute auf dem Sofa halten Getränke in den Händen und plaudern miteinander. Auf dem Tischlein liegt eine Flagge mit den Farben des Regenbogens, eine subtile Aussage, worum es geht. Auf der Flagge liegen diverse Flyer und Magazine, etwa der Organisation Pink Cross, das Milchbüechli der Milchjugend sowie der Fachstelle für Aids- und Sexualfragen AHSGA. Willkommen bei Otherside.

Beim wöchentlichen Treff in der La Buena Onda begegnet man altbekannten wie auch neuen Gesichtern. Der Treff ist offen für jeden und jede, aber nicht für alles: Menschen aller sexuellen Orientierungen haben die Chance, sich hier mit anderen auszutauschen und die Gemeinschaft miteinander zu geniessen. Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität wird nicht toleriert. Die hier Versammelten möchten die bisher eher unsichtbare LGBTQ+ Community öffnen und eine Anlaufstelle sein für neue Mitglieder der LGBTQ+ Community, vor allem für diejenigen, für die die LGBTQ+ Community bisher fremd blieb. Alle sind willkommen in diesem Kreis.

Die Idee war einfach, das Bedürfnis gross. Trotz der vielen Gruppen der LGBTQ+ Community, gab es keinen gelegentlichen Treff in der Ostschweiz, wo sich Leute der LGBTQ+ Community treffen und einfach miteinander chillen konnten. Personen, die nicht heterosexuell sind, haben gewisse Schwierigkeiten, einander zu finden. An manchen Orten werden sie schnell missverstanden, oder die Leute halten Distanz. Ausserdem ist die sexuelle Orientierung anderer Personen meist unbekannt, was weitere Hindernisse schafft. Otherside lässt viele dieser Hürden wegfallen, und ermöglicht es, sich in einem vertrauenswürdigen und sicheren Raum kennen zu lernen.

Schweizweit sind solche Treffpunkte bereits vorhanden, meist von der Milchjugend organisiert. Aber der nächste Treffpunkt ist in Zürich. So entschied Sylvie, eine engagierte junge Frau, die das Ganze in Gang setzte, auch hier in der Ostschweiz einen Treff zu gestalten. Ihre Idee teilte sie mit anderen und schon bald fand sie Unterstützung für ihre Idee. Die Gruppe setzte sich um einen Tisch und die Planung begann. Das war im August. Nach einigen Monaten feierte Otherside ihre Eröffnung mit einer Party und einem Konzert einer lokalen Band namens Subaqua. Die Begeisterung war gross – über 100 Leute besuchten die kleine Bar mit den blauen Wänden. Die Organisatoren freuten sich über die vielen Besucherinnen und Besucher und die Anzahl neuer Gesichter. Der Erfolg der Eröffnungsparty war ein weiterer Beweis der Relevanz des Treffs.

Mittlerweile ist das Gründungsteam gewachsen. Jetzt sind sechs Leute in der Leitung und Organisation des Treffs. Eine Idee wie Otherside hat Einzelpersonen aus diversen Ecken verbündet. Zusammen kreierten sie einen Begegnungsort, wo jede und jeder akzeptiert wird und in Sicherheit ihre/seine Identität ausleben kann. Ein Privileg, das nicht alle in gleichem Mass geniessen können.

Das Blutspenden ist eine gute Tat passt zum Bild einer solidarischen Schweiz. Will jedoch ein schwuler Mann oder eine Transperson Blut spenden, werden sie davon abgehalten. Für sie ist eine Blutspende aus Nächstenliebe nicht erlaubt. Es heisst, die Gefahr, eine sexuell übertragbare Krankheit (STD) weiter zu verbreiten, sei zu gross. Trotz der Tatsache, dass jeder Spender diesbezüglich genau getestet wird. Obwohl sich die AIDS-Rate deutlich verbessert hat*, sind Blutspenden von Schwulen und Transpersonen verboten. Die Konsequenzen eines Stigmas eines Teils dieser Menschen, trägt die gesamte Gruppe.

An den Mittwoch-Abenden des Otherside Treffs wechseln sich die Besuchenden laufend aus. Die Tür öffnet, und neue Leute machen es sich bequem im kleinen Kreis. Jetzt treten vier ältere Frauen ein. Es ist ihre Premiere bei Otherside, aber nicht in der LGBGT Szene. Ihre Freude über den Treff ist erkennbar. Das Gespräch dreht sich um verschiedene andere Clubs, Gruppen und Organisationen in der Region, und wie sich Otherside von ihnen unterscheidet. Nämlich durch ihre Offenheit und ihren lässigen Charakter. Schon bald gibt sich eine der Frauen als Mitglied des BOA-Veranstaltungskalenders aus. Ihre Begeisterung für den Treff zeigt sie, indem sie anbietet, Otherside in den Event-Kalender aufzunehmen. Unteranderem hat BOA einen Eventkalander für LGBTQ+ Veranstaltungen vor allem in der Ostschweiz. So ist die LGBTQ+ Gemeinschaft untereinander vernetzt. Aus einer Minderheit, die sich lange im Schatten bewegen musste, bildet sich eine Gemeinschaft aus verschiedenen Gruppen. Sie fanden einander und vernetzten sich. Zum Beispiel gibt es Queer Lake, ein Netzwerk aller LGBTQ+ Organisationen rund um den Bodensee. Otherside ist auch mit anderen Organisationen verbunden, darunter mit Pink Cross und der AHSGA, die Otherside finanziell unterstützt.

Auf der politischen Ebene sind Sexualität und Gender-Fragen immer wieder ein Thema. Eine wichtige Diskussion auf Bundesebene ist die Frage der Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. Soll die Rechtsgleichheit aller in Artikel 8 der Bundesverfassung verankert werden? Im Gespräch mit den Verantwortlichen von Otherside, wird auf die lokale Politik hingewiesen. Einer der Gründer hebt die Wichtigkeit der Kreisgerichte hervor. „Sie besitzen beispielsweise Macht über entscheidende Einzelheiten im Wandlungsprozess einer Transperson.“ Sei ein Gericht konservativ, könne das ein Erschwernis für die betroffene Person sein. „Zum Beispiel können der Zugang zu den benötigten Hormonen oder finanzielle Unterstützung blockiert werden. Deshalb ist es besonders wichtig, die Kreisgerichte im Auge zu behalten, damit sie faire Entscheidungen treffen und nicht ihren persönlichen Meinungen zu stark Gewicht geben.“ Eine aktive politische Institution will Otherside nicht werden, da ihre Inspiration für dieTreffs vorwiegend aus sozialem Engagement kommt. Otherside ist aber bereit, Stellungnahmen, besonders auf lokaler Ebene, zu unterstützen und abzugeben.

Sexualität, Identität, Ehe und Familienleben sind sehr persönliche Themen. Diese Privatsphäre geniessen jedoch viele der LGBTQ+ Community nicht. Für sie wird das Persönliche häufig zu Politik. Deswegen sind die politischen wie auch die täglichen sozialen Schwierigkeiten ein wiederkehrendes Gesprächsthema. Bei Otherside bekommt man auch eine andere Seite dieser Gemeinschaft mit. Für viele, die ihre Begegnungen mit der LGBTQ+ Community nur durch die Medien oder sonst begrenzte Möglichkeiten haben, lohnt es sich, einen Abend mit Otherside zu verbringen. Zugeknöpftheit und Floskeln sind nicht charakteristisch für die Stimmung dieses Treffs.

Bei einer Thematik, die heute viele Diskussionen auslöst, schafft es Otherside, einen genussvollen, angenehmen Abend anzubieten. Die Freundschaft, die zwischen den Gründern entstanden ist, ist etwas, das sie weiter schenken wollen mit Otherside. Sie haben einen Abend und einen Ort geschaffen, der durch Sicherheit und Akzeptanz Leuten einen gemeinsamen Abend schenkt und die Chance, einander zu begegnen.

*nach Angaben der UN

 

Buchstaben Salat:

SAGA – Sexual and Gender acceptance

LGBTQ+- Lesbian Gay Bisexual Transgender Queer Plus

Queer ist eigentlich ein radikaler, herrschaftskritischer und kämpferischer Begriff, der sich gegen Normen und ausgrenzende Systeme wehrt. https://www.jungschwuppen.de/wp/2010/04/12/gaynow-artikel-was-ist-queer/

25.12.2018

Bemerkung: Man muss sich kategorisieren lassen, es gibt keine Angaben, wie man sich sexuell oder geschlechtlich identifiziert.

 

Otherside

Mittwoch ab 19:00

La Buena Onda

Lämmlisbrunnenstrasse 51

St. Gallen

Otherside auf Instagram:

otherside.lgbtq