«Klimaschutz bedeutet nicht Verzicht»

(Bild: Leon Olbrecht)

Seit drei Monaten kämpfen Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule am Burggraben (KSBG) fürs Klima. Sie haben gestreikt, sie haben demonstriert – und sie haben Forderungen. Im Gespräch mit den jungen Aktivistinnen und Aktivisten zeigt sich Rektor Marc König durchaus stolz, dass sich Kanti-Schülerinnen und Schüler für den Klimaschutz engagieren.

Ein Dienstagmittag im März. Händeschütteln im Büro des Rektors. Marc König, der Chef der Kantonsschule am Burggraben (KSBG), begrüsst vier Schülerinnen und Schüler des Kollektivs Klimastreiks Ostschweiz zu einem Gespräch. Miriam Rizvi, Dominic Truxius, Lia Allenspach und Kaija Eigenmann kennen seit längerem kein normales Leben mehr. Denn nachdem der Nationalrat Mitte Dezember 2018 die Totalrevision des CO2-Gesetzes abgelehnt geworden ist, hat in Zürich kurz darauf der erste Kilmastreik stattgefunden. Die vier Freundinnen und Freunde verbindet ein Interesse: politisches Engagement. Nur eine Woche später haben sie an der Kantonsschule am Burggraben während der dritten Morgenlektion einen Klimastreik auf die Beine gestellt.

«Ich finde dieses Grundprinzip nicht cool, wenn man einfach ein bisschen sein Leben vor sich hinlebt. Wir wissen eine Veränderung muss jetzt geschehen und jede Person muss etwas dafür machen», sagt Kaija Eigenmann (2oG) vom Kollektiv und scheint damit nicht alleine zu sein, wie das Echo der 400 Teilnehmenden der ersten Kundgebung am 21. Dezember 2018 aussagt.

«Die grossen Probleme der Menschheit hat nicht Gott geschaffen, sondern sie sind von uns Menschen entstanden. Das heisst aber auch, dass sie der Mensch wieder lösen kann. Deshalb ist es wichtig, dass man sich vernetzt, eine Bewegung startet und dranbleibt. Gerade die Dynamik der entstehenden Bewegung war sehr interessant», meint Dominic Truxius (2bLW). Der Funken zur förmlich explosionsartigen Ausbreitung der Jugendbewegung in der Schweiz entsprang in einem WhatsApp-Chat. Daraus resultierte, dass die Thematik unter Jugendlichen wild diskutiert wurde.

Um den Druck auf die Schweizer Politik steigern zu können und die Statements der globalen Klimaschutzbewegung zu betonen, muss das Netzwerk unter den unterschiedlichen regionalen Kollektiven gepflegt werden. Eines der wichtigsten Werkzeuge und gleichzeitig eine der grössten Herausforderungen in diesem Prozess ist die Kommunikation.

«Mir ist erst bei einer nationalen Sitzung zum ersten Mal aufgefallen, dass wir in einem Land leben, in dem so viele verschiedene Sprachen gesprochen werden», gibt Kaija Eigenmann offen zu. Innerhalb ihrer Arbeitsgruppe sei Englisch gesprochen worden, da sich die Gruppe auf keine Landessprache einigen konnte. Das Verständnis ist eine wichtige Voraussetzung, dass die Bewegung stets basisdemokratisch funktionieren kann. Wenn eine Person bei einer Abstimmung den Vorschlag ablehnt, muss sie selbst einen Lösungsvorschlag bringen, mit dem sie einen Konsens finden kann.

Auch die vielen Medienanfragen forderten das Team heraus. Speziell Miriam Rizvi (2hW), die Mediensprecherin des ostschweizerischen Kollektivs: «Man bekommt Medienanfragen in der 10-Uhr-Pause oder Journalisten rufen mitten in der Lektion um 11 Uhr an. Die Medienaufmerksamkeit ist in diesem Zeitalter sehr wichtig», erklärt sie. Man erlange mit der Zeit mehr Know-how und könne die Arbeit dadurch besser aufteilen, sodass nicht alles an einem hängen bleibe.

Dass die schulischen Leistungen sich durch das politische Engagement verschlechtern, streiten die vier Schülerinnen und Schüler der KSBG klar ab. Obwohl die Entwicklung von neuen Ideen über WhatsApp schnell fortschreiten kann, könne man den Aufwand gut an der Schule vorbeiplanen, versichert Kaija Eigenmann. Schliesslich, findet Dominic Truxius, sei sogar ein persönliches Lernerlebnis damit verbunden, denn wenn er jetzt arbeite, dann fokussierter.

Nicht nur in der Organisation der nächsten Demonstrationen und für den deutlichen Ausdruck der politischen Forderungen spielt die Kommunikation eine zentrale Rolle. Gerade mit dem kantonalen Bildungsdepartement hätte sich das KKO einen besseren Austausch erhofft, um Konflikten vorzubeugen. Die Massnahmenvorschriften des Kantons stossen den Jugendlichen auf. An anderen Orten würden sie mit gemeinnützigen Leistungen «bestraft». An den kantonalen Schulen gebe es unentschuldigte Absenzen. Dazu sagt Marc König, Rektor der KSBG, dass es in dieser Streiksituation wichtig sei, dass Schule und Streikende ihre je eigene Rolle spielen. Und zwar anständig.

Zwischen den Zeilen wird klar: Der Rektor steht mit den schulischen Disziplinarmassnahmen den Jugendlichen nicht gerne im Weg. Im Gespräch ist deutlich spürbar, dass Marc König Nachhaltigkeit am Herzen liegt. Bereits 2007, innerhalb der ersten 100 Tage seines Amtsantritts, hat er ein Flugverzicht für Maturareisen durchgesetzt. Nur habe die Schulleitung heute wenig Einfluss auf die Planung der Maturareisen, da sie nach den Maturaprüfungen stattfinden und die Schule da den Schülerinnen und Schülern nichts mehr vorschreiben kann. Marc König findet, dass es an der Politik liege, die Flugticketpreise ehrlich anzusetzen, sodass die Schüler nicht das Flugzeug wählen, nur weil es die günstigere Variante ist. «Der Effekt daraus ist nicht gut, denn es geht auf der Maturareise nicht darum, vier Tage all inclusive in Kroatien zu geniessen, sondern um das Erlebnis mit der Klasse.» Er ist sich sicher, dass die Klimaschutzbewegung gerade in den jetzigen dritten Klassen Früchte trägt und im Jahr 2020 keine solchen Maturareisen mehr stattfinden. «Es ist wichtig, dass wir solches Denken in die Köpfe der 1400 Schüler kommt.»

Der Rektor sieht innerhalb des Unterrichts grosses Potential, die Jugend über die Klimathematik aus den verschiedensten Perspektiven – sei es in den Naturwissenschaften, in der Geografie aufzuklären. Für ihn ist klar, dass politische Bildung im Allgemeinen und der Einbezug jugendlicher Meinungen im Besonderen durch die Klimabewegung noch wichtiger geworden sind. Argumente für die schulinterne ökologische Entwicklung, wie zum Beispiel der Mobilitätstag am 27. April, welcher von Schülerinnen und Schüler des Ergänzungsfaches «Nachhaltigkeit» organisiert wird, oder die Tatsache, dass die Kantonsschule ihren Energiebedarf in den letzten zehn Jahren um 20 Prozent senken konnte, lassen die Aktivistinnen und Aktivisten eher unberührt. Stattdessen hat das KKO der Schulleitung bereits einen Forderungskatalog eingereicht. «Ich finde nicht, dass wir uns jemals zufrieden stellen sollten. Man kann immer etwas machen, also können wir nicht einfach aufhören, weil etwas gut gelaufen ist. Wir bleiben kritisch. Das ist jetzt einfach so!», sagt Lia Allenspach (2nIM).

Der Rektor schmunzelt und kann den Schülerinnen und Schülern ihre Haltung nicht übelnehmen. Die Schule habe zwei Bildungsziele – erstens die Studierreife und zweitens die Gesellschaftsreife. «Zur Gesellschaftsreife gehört Verantwortungsgefühl – auch für unsere Umwelt», so Marc König.

Darauf möchte Dominic Truxius ein persönliches Anliegen loswerden: «Klimaschutz bedeutet nicht Verzicht – man kann sehr viel gewinnen. Heutzutage ist man nicht eine aussenstehende

Person, wenn man sich ökologisch verhalte. Man muss Verantwortung übernehmen, was jedoch nicht bedeutet, dass man sein Leben nicht geniessen kann.»